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Das Gewitter im Kopf
Veröffentlicht von Dr. Hannes K. LEIRER in Dr. LEIRER's Gesundheitsforum • 01.04.2009
Die Migraine (nach dem griechischen Wort ‚hemikranion’ = ‚halber Schädel’) stellt eine neurologische Erkrankung – und eine extrem belastende Sonderform der Cephalea - dar. Es handelt sich dabei um ein vielgestaltiges Krankheitsbild, das enorm unangenehme Beschwerden verursachen kann. Typischerweise beginnt die Sache mit anfallsartigen, pulsierenden und halbseitigen Kopfschmerzen, die häufig von zusätzlichen Symptomen wie Nausea (Übelkeit), Emesis (Erbrechen), Photophobie (Lichtempfindlichkeit) oder Phonophobie (Geräusch-empfindlichkeit) begleitet werden. Oft ist im Vorfeld eines solchen Anfallsgeschehens eine sogenannte Aura zu beobachten. Dabei können optische oder sensible Wahrnehmungsstörungen - aber auch motorische Störungen - auftreten.

Das Krankheitsbild der Migraine bietet in der Regel einen stadienhaften Verlauf. Dabei kündigt sich ein Anfall sehr häufig durch eine Prodromalphase (Vorläufer-symptomatik) an. Darauf folgt oft die sogenannte Aura (definiert durch Wahrnehmungsstörungen). Bald danach geht dieses Stadium in die eigentliche Migaine über, wo neben der Cephalea die vorhin bereits erwähnten Nebensymptome (Nausea, Emesis, Photo- sowie Phonophobie) auftreten. Zum Schluß kommt es noch zur Rückbildungsphase, in der die Kopfschmerzen allmählich abklingen.

Wie sieht das Gewitter im Kopf denn nun im einzelnen aus ? Die Prodromalphase kann eine Dauer von wenigen Stunden bis zu zwei Tagen in Anspruch nehmen, bevor es dann tatsächlich zu einer Migraineattacke kommt. Während dieser Zeit ist der Patient häufig gereizt, wobei er teilweise auch mit Stimmungsschwankungen reagieren kann. Sogar so gegensätzliche Symptome wie Nervosität, Euphorie, Müdigkeit, häufiges Gähnen oder Konzentrationsstörungen vermögen mit einer solchen Attacke einherzugehen. Auch Überaktivität, Gleichgültigkeit, Appetitlosigkeit, Heißhunger auf bestimmte Nahrungsmittel, Durst, Durchfall, Verstopfung oder Kältegefühl kommen nicht selten vor.

In circa 20 % der Migrainefälle tritt eine Aura auf (die sogenannte ‚klassische Migraine’). Sehr häufig sind dabei langsam einsetzende und wieder abklingende visuelle Störungen (Scotome, Verlust des räumlichen Sehens oder der Sehschärfe), aber auch Fehlleitungen des Geruchsempfindens oder Sensibilitätsstörungen an verschiedenen Körperteilen. Sogar Gleichgewichts- oder Sprechstörungen vermögen aufzutreten. Dabei wird die Aura von verschiedenen Patienten immer wieder anders beschrieben. Charakteristisch ist allerdings die ausgeprägte Dynamik des Geschehens: die einzelnen Symptome wechseln ebenso wie deren Localisationen am Körper. Diese Tatsache ist für die Medizin von enormer Bedeutung, weil sie ein wichtiges Abgrenzungsmerkmal zu anderen neurologischen Erkrankungen darstellt. Die auftretenden Symptome sind dabei passager und dauern meistens bis zu sechzig Minuten.

Ein kurioses Detail am Rande stellt die Tatsache dar, dass viele an Migraine leidende Künstler ihre Empfindungen in diverse Kunstwerke einfließen haben lassen. Von dieser Tatsache hat sogar das ‚Alice in Wonderland-Syndrome’ seinen Namen, das durch Beschreibung von Wahrnehmungsstörungen des britischen Schriftstellers Lewis Carroll in seinem berühmten Werk ‚Alice im Wunderland’ definiert worden ist.

Nach der Aura tritt sodann die Kopfschmerzphase ein. Die Cephalea ist dabei meistens halbseitig - insbesondere im Bereich von Stirn, Schläfe und Auge - ausgeprägt. Sie quält den Patienten mit mittlerer bis sehr starker Intensität, die sich im Zuge körperlicher Betätigung sehr schnell steigert. Wenn dieser Punkt erreicht ist, muß rasch etwas geschehen: Ruhe und Dunkelheit führen dabei ebenso zur Linderung der Kopfschmerzen wie eine gezielte medikamentöse Therapie.

In der Rückbildungsphase nehmen dann sowohl die Cephalea als auch die Begleitsymptome langsam wieder ab. Der Patient fühlt sich müde und abgeschlagen, wobei diese Phase bis zu vierundzwanzig Stunden dauern kann.
Zu beachten ist, dass circa 80 % der Migraineanfälle ohne vorhergehende Aura stattfinden. Allerdings können auch hier Vorboten wie Unruhe, Erregungszustände oder Stimmungsschwankungen auftreten. Diese Symptome zeigen sich - wie die Aura - vor der eigentlichen Attacke. Der Kopfschmerz ist dann meist ebenso halbseitig wie pulsierend und kann über einen Zeitraum dauern, der sich zwischen einigen Stunden oder - im Extremfall - sogar einigen Tagen bewegen kann. Darüber hinaus sind auraähnliche Begleitsymptome auch hier wiederum nicht ungewöhnlich.

Im weiten Krankheitsfeld der Migraine gibt es einige spezielle Sonderformen. Besonders wichtig sind folgende Syndrome:
menstruationsgebundene Migraine
kindliche Migraine
familiäre hemiplegische Migraine (familiär gehäuftes und seltenes Syndrom mit besonders ausgeprägter, langdauernder Auraphase, während der passagere hemiplegische – halbseitige - Lähmungserscheinungen auftreten)
basilare Migraine (Migraine mit Aura und fast immer ohne Kopfschmerzen, wobei meistens beide Hirnhälften betroffen sind und charakteristische reversible Symptome, wie Sprechstörungen, Sehstörungen auf beiden Augen, Gangunsicherheit oder Bewusstseinsbeeinträchtigungen sowie Schwindel bieten)
ophthalmoplegische Migraine (Syndrom mit passageren Störungen der Augenmusculatur)
retinale Migraine (Syndrom mit visuellen Störungen)

Prinzipiell ist es so, dass circa 18 % der Frauen hingegen aber lediglich 6 % der Männer in den hochzivilisierten Ländern an Migraine leiden, wobei insbesondere Menschen im Alter zwischen 25 und 45 Jahren betroffen sind. Die Migraine infantile (kindliche Migraine) betrifft circa 12 % der praepubertären Bevölkerung.

Die Diagnose ‚Migraine’ wird vornehmlich nach einer ausführlichen Anamneseerhebung gestellt, weil spezielle Laboruntersuchungsmethoden nicht zur Verfügung stehen. Technische Screenings sind nur zum Ausschluß anderer Erkrankungen erforderlich. Dabei sind in erster Linie die craniale Computertomographie (CCT), die Kernspintomographie (NMRT), die Dopplersonographie und die Elektroencephalographie (EEG) zu nennen. Damit können Tumore, Hirnblutungen, Entzündungen oder epileptische Anfälle ausgeschlossen werden. Nach den Kriterien der ‚International Headache Society’ (IHS) liegt eine Migraine immer dann vor, wenn mindestens zwei der im folgenden angeführten vier Hauptkriterien erfüllt sind:

Hemicranie (einseitiger Kopfschmerz unter Einschluß der Möglichkeit eines Seitenwechsels)
pulsierender oder pochender Charakter des Schmerzes
Verstärkung des Schmerzes durch körperliche Aktivität
erhebliche Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten
Zusätzlich muss die Störung recidivierenden Charakter haben und eine symptomatische Cephalea ausgeschlossen sein.

Der Mechanismus, der dem Gewitter im Kopf zugrunde liegt, ist bis heute nicht völlig aufgeklärt. Hypothesenübergreifend scheint jedoch der Neurotransmitter ‚Serotonin’ (ein sogenannter ‚Botenstoff’) eine wichtige Rolle einzunehmen. Außerdem werden während eines Migraineanfalls Entzündungsmediatoren (entzündungs-vermittelnde Botenstoffe) freigesetzt. Diese Substanzen bewirken eine sterile (nicht infectiöse !) Entzündung mit einer Vasodilatation (Erweiterung der Blutgefäße). Darüber hinaus konnte beobachtet werden, dass craniale Blutgefäße, in deren Wänden sich Schmerz- und Dehnungsrezeptoren befinden, während eines Migraineanfalls erweitert sind. Damit lässt sich insbesondere der pulsierende Charakter der Cephalea erklären. Daraus folgt, dass eine Behandlung mit Arzneimitteln, die diese contrahieren (Triptane !), eine hervorragende curative Wirkung haben. Zusätzlich wirken verschiedene Lebensstil- oder Umweltgegebenheiten wirken sehr häufig als Triggerfactoren.

Die Migraine stellt eine Erkrankung dar, die momentan durch medizinische Maßnahmen nicht ursächlich heilbar ist. Lediglich die Intensität der Anfälle sowie deren Häufigkeit kann durch geeignete Maßnahmen reduziert werden. Dabei gibt es bewährte Schemata zur Einnahme und Dosierung verschiedener Medikamente, wobei oftmals gerade das altgediente Aspirin™ unschätzbare Dienste leisten kann. In eingeschränktem Umfang gibt es auch medikamentöse Strategien zur Migraineprophylaxe (Betablocker, Calciumantagonisten oder Antiepileptica). Eines ist dabei aber besonders wichtig: die Reduction – besser noch die gänzliche Vermeidung ! - von Risikofactoren wie Alkohol oder Nicotin und eine gesunde, bewegungsreiche Lebensführung mit gesunder Ernährung können viel zur Vermeidung von Gewittern im Kopf beitragen !

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