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Lactoseintoleranzsyndrom
Veröffentlicht von Dr. Hannes K. LEIRER in Dr. LEIRER's Gesundheitsforum • 01.04.2009
Die Lactoseintoleranz, deren Krankheitswertigkeit in zunehmendem Maße das Bewusstsein der modernen Gesellschaft durchdringt, stellt eine Störung der Milchzuckerverdauung dar. Sie wird dadurch hervorgerufen, dass die betroffenen Personen ein für den Abbau der Lactose notwendiges Encym (Lactase) nicht besitzen. Dieser Zustand ist für den größten Teil der Weltbevölkerung normal, lediglich einige Völker verfügen über die nötige Verdauungskapacität. Dazu gehören beispielsweise die Menschen von Nordwest- sowie Zentraleuropa und die in den Vereinigten Staaten von America oder Australien lebenden Leute. Im Gegensatz dazu sind die Völker Südostasiens fast ebenso lactoseintolerant wie die Afrikaner oder Südamerikaner.

Das Encym Lactase wird während der Stillzeit gebildet und zerlegt den Milchzucker in die verwertbaren Zuckerarten Galactose und Glucose. Wenn ungespaltene Lactose in das Colon (Dickdarm) gelangt, wird sie daselbst von den Bacterien der Darmflora vergoren. Ab einer gewissen Menge führen die entstehenden Gärungsprodukte postwendend zu Blähungen und zur Diarrhoe (Durchfall). Man nimmt heute an, dass die Lactase-Produktion im Erwachsenenalter im Vergleich zum Säuglingsalter per se generell deutlich vermindert ist, was im allgemeinen für den Mensch und die Säugetiere den Normalzustand darstellt. Lediglich Populationen, die seit geraumer Zeit Milchwirtschaft betreiben, haben einer Mutation zum Durchbruch verholfen. Dabei wird auch im Erwachsenenalter genügend Lactase produziert, um ein normales Leben führen zu können.

Prinzipiell gibt es dabei mehrere Ursachen, die zu diesem Enzymmangel führen können:

Der angeborene Lactasemangel (absolute Laktoseintoleranz) beruht auf einem Gendefekt. Dabei wird sehr wenig oder gar kein Enzym gebildet. Dadurch wird die postnatale Wachstums- und Entwicklungsphase stark beeinträchtigt und führt unbehandelt zu schwersten Gehirnschäden.

Verschiedene Erkrankungen des Verdauungssystems können die lactaseproduzierenden Zellen secundär schädigen, sodass die Enzymproduktion vorübergehend oder sogar dauernd beeinträchtigt ist (nach einer etwaigen erfolgreichen Behandlung einiger der angeführten Krankheiten verschwindet der Lactasemangel allerdings meist völlig). Dazu gehören beispielsweise folgende Syndrome:

Gastroenteritis bacterieller oder viraler Genese
chronische Darmerkrankungen
Coeliacie (resp. Sprue)
intestinale Lymphome
partielle oder totale Gastrectomien
Kurzdarmsyndrom
Blindsacksyndrom (resp. großes Duodenaldiverticel)
Chemo- resp. Strahlentherapie
Mangelernährung
chronischer Alkoholmissbrauch

Die dritte Möglichkeit sieht folgendermaßen aus: bei Säuglingen wird Lactase normalerweise in ausreichender Menge produziert, was sich jedoch je nach Heimatregion bald ändert. Während beispielsweise ein Großteil der erwachsenen mittel- bis südasiatischen Bevölkerung keine Milchprodukte mehr verträgt, bereitet den meisten Bewohnern Europas, des Mittleren Ostens sowie den Menschen sibirisch-mongolischer Abstammung die Milchzuckeraufnahme bis ins hohe Alter regulärerweise keine Probleme.

Welche Symptome werden nun vom Lactoseintoleranzsyndrom verursacht ? Gelangen nach dem Konsum von Milch oder Milchprodukten größere Mengen Lactose, die eigentlich im Dünndarm verarbeitet werden sollten, ins Colon und werden dort von der Darmflora als Nährstoff fermentiert. In der Folge kommt es vor allem zu Blähungen, die sich in markant riechenden Darmwinden entladen. In weiterer Folge können auch Bauchkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle die Folge sein. Die Beschwerden verhalten sich dabei direkt proportional zur konsumierten Lactosemenge.

Dabei muß man folgendes beachten: andauernde schwere Durchfälle stellen eine eminente Reizung der Darmschleimhaut dar und führen darüberhinaus zu einer Resorptionsstörung bei Vitaminen, Mineralstoffen sowie Spurenelementen. Dies alles kann á la longue eine vermehrte Infectionshäufigkeit begründen oder sogar eine Schädigung des Dünndarms verursachen, die sich hauptsächlich in einer Verkümmerung der Dünndarmzotten mit einer Verminderung der Nährstoffaufnahme manifestiert.

Wie kann man die Lactoseintoleranz nun definitiv diagnostizieren ?
Heutzutage ist der H2-Atem-Test state of the art: das Verfahren basiert auf dem Nachweis von H2 (Wasserstoff) in der Exspirationsluft (also beim Ausatmen). Das ist ein indirekter Nachweis des Lactasemangels, weil bei der bacteriellen Aufarbeitung des Milchzuckers neben den üblichen Abbauprodukten auch gasförmiger Wasserstoff entsteht. Dieser gelangt sodann über das Blut in die Lungen und wird abgeatmet. Da normalerweise kein H2 in der Atemluft vorhanden ist, deutet ein positives Ergebnis auf eine mögliche Lactoseintoleranz hin. Allerdings kann dieser Test auch falsch negative Ergebnisse erbringen: jeder fünfte Lactoseintoleranz-Patient beherbergt in seiner Darmflora Bacterien, die Methan erzeugen. Dieses Gas verunmöglicht dann leider den H2-Nachweis.

Ein weiteres Nachweisverfahren stellt der Blutzucker-Test dar: er basiert auf der Messung des Glukose-Gehalts im venösen oder capillären Blut, weil die Lactose im Rahmen der Verdauung in Galactose und Glucose aufgespalten wird. Dadurch muß der Blutzuckerspiegel (Glucosewert) ansteigen, wenn Lactose eingenommen wird. Ist dies nicht der Fall, kann man auf eine Lactoseintoleranz schließen. Dabei muß man jedoch vorsichtig sein, denn bei Patienten mit einem latenten oder manifesten Diabetes mellitus kann das Ergebnis falsch negativ ausfallen.

Die eleganteste und gleichzeitig modernste Nachweismethode stellt ein Gentest dar: bei Verdacht auf Lactoseintoleranz wird der entsprechende Nachweis aus problemlos gewinnbarem Wangenschleimhautabstrich-Material geführt.
Ganz selten muß man zur invasiven Methode einer Gewebeprobe aus dem Dünndarm greifen, um die Lactoseintoleranz nachweisen zu können.

Der angeborene Lactasemangel ist nicht heilbar, seine Auswirkungen können durch eine consequente Umstellung der Ernährung auf milchzuckerfreie Kost allerdings minimiert werden. Dazu ist es unerlässlich, anhand von Lebensmittelanalysen oder Kochbüchern alle Nährstoffe zu vermeiden, die Lactose enthalten. Man kann das Pferd jedoch auch von der anderen Seite her aufzäumen: durch die kapselförmige Zufuhr von Lactase kann man den Milchzucker in der Nahrung künstlich abbauen, sodaß es nicht zur Production der lästigen Verdauungsproducte im Colon kommt. Dabei gibt es jedoch diverse Probleme, denn das Finden der richtigen Dosierung stellt sich häufig recht schwierig dar. Darüberhinaus gibt es mittlerweile lactosereduzierte Milchprodukte in den Supermarktregalen. Man muß jedoch beachten, dass Milchzucker als Geschmacksverstärker vielen Lebensmitteln künstlich zugesetzt wird. Dazu gehören diverse Brotsorten ebenso wie Getreideriegel, Fertiggerichte, Würzmischungen, Wurstwaren, Bonbons, Speiseeis, Schokolade, Instantprodukte oder Packerlsuppen.

Achtung: bei der Vermeidung von Milch und Milchprodukten muß man darauf achten, dass es nicht zu einem Calciummangel kommt ! Dies hängt vor allem von der Ausgewogenheit der restlichen Ernährung ab.

Allerdings: kein Nachteil ohne Vorteil ! In der Medizin macht man sich die abführende Wirkung der Lactose zunutze. In Pulver- oder Lösungsgalenik schlucken viele Menschen Milchzucker in einer Dosierung, die der Verdauungsprozeß nicht mehr bewältigen kann, wodurch es zu einer stuhlerweichenden Wirkung kommt. Dies ist eine wesentlich schonendere Methode, als mit den „klassischen“ Abführmitteln ständig direkt die Darmwand zur Entleerung anzutreiben.

Seien Sie also wachsam und beobachten Sie Ihren Körper - dann werden Sie sehr schnell erkennen, ob Sie vielleicht auch ein Lactoseintoleranzsyndrom haben könnten !

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