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Das Antiinfectivum
Veröffentlicht von Dr. Hannes K. LEIRER in Dr. LEIRER's Gesundheitsforum • 01.01.2007
Kaum etwas in der modernen Medizin ist deratig stark mit Legenden überfrachtet (respective mit Falschinformationen beladen) wie der Begriffskreis des Antiinfectivums sowie der der dazugehörigen Therapie. Landläufig besser bekannt sind diese Mittel unter der Bezeichnung „Anti-bioticum“ (man beachte die Endung; der leider meistens fälschlich verwendete Ausdruck „Antibiotica“ stellt die Mehrzahl des Wortes dar !), von der man im Sprachgebrauch der internationalen Medizin allerdings immer mehr abkommt, weil er den Begriff auf die gegen Bacterien gerichtete Medikamente beschränkt. Dementsprechend gibt es heutzutage auch Arzneimittel gegen Virusinfectionen (Einzahl: Virostaticum, Mehrzahl:Virostatica), gegen Pilzinfectionen (Einzahl: Antimycoticum, Mehrzahl:Antimycotica) sowie gegen Wurminfektionen (Einzahl: Anthelminthicum, Mehrzahl:Anthelminthica).

Begonnen hat die Entwicklung antiinfectiver Substanzen mit der Isolierung natürlich gebildeter Stoffwechselprodukte von Pilzen oder Bakterien, die schon in geringer Menge das Wachstum von anderen Mikroorganismen behindern (bacteriostatische Substanzen) oder diese biologischen Einheiten sogar abtöten (bactericide Mittel). Darüber hinaus existieren Stoffe, die Microben töten und deren Zellwand aufzulösen vermögen (bacteriolytische Therapeutica). Mittlerweile gibt es jedoch auch schon Medikamente mit vergleichbarer Wirkung, die in der Natur nicht vorkommen. Diese werden synthetisch oder per Gentechnologie gewonnen. Die ersten effektiven Antiinfektiva dieser Gattung stellten die Sulfonamide dar, die auch heute noch munter verwendet werden. Sie werden nicht von Microorganismen erzeugt, sondern durch chemische Synthese gewonnen und heute meist in Kombinationen (p.e. Cotrimoxazol) eingesetzt.

Als weitere medizinisch anwendbare Substanz trat das Penicillin seinen Siegeszug um die Welt an. Die Entwicklung des schottischen Nobelpreisträgers Sir Alexander Fleming rettete unzählige Leben und führte zur Suche weiterer antibiotisch wirksamer Substanzen wie beispielsweise Streptomycin, Chloramphenicol, Aureomycin, Tetracyclin, etc.

Der bekannteste „Produzent“ solcher Stoffe ist der Schimmelpilz Penicillium chrysogenum. Die von ihm produzierte Substanz „Penicillin“ ist nahezu zu einem Synonym für das „Antibioticum“ schlechthin geworden. Tatsächlich werden heute jedoch die meisten medizinisch verwendeten derartigen Medikamente biotechnologisch von Bakterien (beispielsweise den Streptomyceten) produziert. Antiinfectiva zählen heutzutage zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamenten, wobei weniger als hundert verschiedene Substanzen in der Humanmedizin Verwendung finden.

Wenn nun die Forschung einen antibiotisch wirksamen Stoff entwickeln will, muß sie in den Microben nach Strukturen suchen, die in der menschlichen Zelle nicht vorkommen. Dadurch kann man dann Substanzen entwickeln, die von unserem Körper vertragen werden, beispielsweise jedoch einem eingedrungenen Bacterium den Garaus machen. Solche Ansatzpunkte findet man etwa in den Zellwänden der Microben.

Die wichtigsten Vertreter der antiinfectiven Substanzen stellen folgende Stoffe dar: ß-Lactame, Glycopeptide, Tetracycline, Macrolide, Polypeptide, Chinolone und Sulfonamide. All diese Gruppen besitzen unterschiedliche Angriffsorte und Wirkungsweisen.

Antiinfectiva sind in der Regel sehr gut verträglich. Gelegentlich können Allergien oder Störungen der Darm- und Scheidenflora auftreten. In jedem Fall aber wählt man für eine wirksame Therapie Substanzen aus, die gegen die entsprechenden Keime eine gute Wirkung entfalten können. Dabei muß man sich meistens auf das nötige Gefühl verlassen, denn die Zeit, auf ein im Labor erstelltes Antibiogramm zu warten, hat man meistens nicht. Daher wird die Behandlung so gut wie immer ohne genaue Kenntnis des Erregers sofort begonnen. Da bei Verzögerungen gravierender Infectionen natürlich durchaus Lebensgefahr bestehen kann, verwendet man in solchen Fällen antiinfective Substanzen mit einem möglichst breiten Wirkspektrum. Wenn das - später einlangende - Ergebnis des Antibiogrammes die Therapieentscheidung bestätigt, wird die Verabreichung fortgesetzt. Zeigen sich demgegenüber noch nicht abgedeckte Keime, stellt man auf ein Medikament um, dessen Wirkspectrum die actuellen Keime einschließt.

Achtung: Jede antiinfective Therapie muß über einen gewissen Zeitraum fortgesetzt werden, um sicher alle Erreger abzutöten und vor allem Resistenzentwicklungen zu vermeiden. Ein besonderes Beispiel dafür ist die Kombinationstherapie gegen den Mb. Koch (Tuberculose), die auch dann unabdingbar sechs Monate umfaßt, wenn sich der Patient viel früher wieder gesund fühlt.

Was umschreibt nun der Begriff „Antibioticaresistenz“, der in unserer Zeit eine ständig wachsende Rolle spielt ?

Es handelt sich dabei um das wachsende Problem der Widerstandsfähigkeit von Microben gegen antiinfective Substanzen. Dabei führt die Behandlung resistenter Bacterien nicht zum gewünschten Therapieerfolg. Diese sogenannte „Resistenz“ zeichnet sich durch den Verlust der Wirksamkeit eines Antibiotikums bei einem vorher eigentlich nicht resistenten Bacterium aus. Die Bestimmung einer solchen „Wider-standsfähigkeit“ erfolgt in einem Labor, wobei dann gleich verschiedene Substanzen getestet werden, auf die die resistenten Keime eventuell doch empfindlich sein könnten. Falls sich dabei doch ein brauchbares Medikament findet, kann man die Therapie danach ausrichten. In den USA sind beispielsweise circa siebzig Prozent der in Krankenhäusern erworbenen Keime gegen zumindest ein Antiinfectivum resistent, oft sind Patienten sogar mit Bacterienstämmen inficiert, die gegen mehrere Wirstoffe immun sind (Multiresistenz). In Europa sieht es hingegen nicht ganz so böse aus, das Problem der Resistenzentwicklung darf allerdings auch hier nicht aus den Augen verloren werden. Dabei sind besonders Patienten mit angeknackstem Immunsystem (Schwer-kranke oder HIV-positive Personen) besonders gefährdet. Auch Menschen nach Organtransplantationen gehören in den besonders gefährdeten Kreis, weil bei ihnen durch die Einnahme immunsuppressiver Substanzen die Abwehr zusätzlich herabgesetzt ist (dies ist notwendig, weil man damit die Abstoßung des eingepflanten „Ersatzteiles“ verhindern muß).

Eine wichtige Ursache von Resistenzbildungen liegt in der Tatsache begründet, dass viele Menschen nicht auf ihrern Arzt hören und mit der Einnahme ihres Antibioticums zu früh aufhören. Mediziner reden sich nicht ohne Grund den Mund fusselig, um die Patienten darauf hinzuweisen, dass man „ja alle Pulver nehmen soll, die in dem Schachterl drinnen sind“. Trotzdem gibt es immer wieder unverlässliche und leichtsinnige Leute, die ihr Penicillin halt nur fünf Tage schlucken, weil das Halsweh bei der eitrigen Angina ohnehin schon aufgehört hat. Daß die Keime aber nach wie vor im Körper und noch lange nicht tot sind, spüren diese unfolgsamen Patienten natürlich nicht. Darüberhinaus ist es ja sooooo super, wenn man noch ein paar „Pulver“ übrig hat, denn die Mali-Tant’ hat ja auch immer wieder Halsweh ! Die freut sich so, wenn man ihr zwei Penicillinchen geben kann, denn dann ist das Kratzen ohnehin gleich wieder weg ! Man merke sich: eine solche Vorgangsweise ist ein Verbrechen an der eigenen Gesundheit und an der der gesamten Menschheit ! Damit züchtet man unter jeder Garantie resistente Keime, die dem betreffenden Patienten selber und auch dem Rest der Welt zu schaffen machen können ! Jede antiinfective Therapie muß lange genug dauern und ausreichend hoch dosiert sein ! Dies ist eine absolute conditio sine qua non !

Es ist darüber hinaus auch Aufgabe des Arztes, abzuschätzen, wann ein Antiinfectivum wirklich indiciert ist. Jeder verantwortungsvolle Medizinmann wird nur dann ein solches Medikament verordnen, wenn seine Gabe auch wirklich notwendig ist und sich keinesfalls von Begehrlichkeiten der Patienten unter Druck setzen lassen, die trotz fehlender Kompetenz schon vorab die Notwendigkeit zu einer solchen Behandlung erkannt zu haben glauben !

Eine leider sehr weit verbreitete Ursache sowohl für die Entstehung als auch für die Verbreitung von widerstandsfähigen Keimen ist die unkritische Anwendung von antibiotischen Substanzen zur Infectionsprophylaxe in der landwirtschaftlichen Tierzucht. Obwohl einige Staaten diese Practicen bereits untersagt haben, bleibt die Ausbreitung der Resistenzen besorgniserregend. Besonders über den Genuß roher Eier sowie ungenügend gebratenen Fleisches kommt es zum Übertreten der Infection auf den Menschen.

Also: überlassen Sie es getrost Ihrem Arzt, ob er Ihnen ein Antiinfectivum verordnet oder nicht ! Er hat sein Geschäft gelernt und muß nicht auf der Gesundheitsseite der Tageszeitung nachschauen, um zu wissen, was für Sie gut ist ! Ihre Aufgabe als Patient ist es, die verordneten Medikamente auch tatsächlich streng nach Vorschrift einzunehmen - und zwar vollständig ! Lassen Sie keine Restln über, denn damit vermindern Sie die Wirksamkeit der Therapie und schaden Ihrem Körper ! Darüber hinaus belasten Sie auch Ihre Mitmenschen, denn wenn Sie resistente Keime züchten, geben Sie diese natürlich auch ab und verbreiten sie weiter ! Damit sorgen Sie zwar dafür, daß Ihr Arzt immer genug zu tun hat, aber Ihr Nachbar würde sich schön bedanken, wenn er wüßte, daß er die langdauernde Infection, die erst nach dem zweiten Antibioticum, das der Arzt erst nach dem Einlangen des Abstrichbefundes verordnen konnte, Ihrer Nachläßigkeit bei der Einnahme Ihrer Tabletten zu verdanken hat !

Gehen Sie also verantwortungsvoll mit den Medikamenten um, die Sie zum Schlucken bekommen - Ihr Körper und der Rest der Menschheit werden es Ihnen danken !

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